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Benjamin
„Trauer ist
für mich ein Ventil,
es muss raus…“

Benjamin

Was ist passiert?

Mein Sohn Joshua würde in diesem Jahr 17 werden. Er ist im Alter von 2 Jahren gestorben. Er kam mit einer Gastroschisis auf die Welt. Die Ärzte haben gesagt, dass sie ihm im Grunde keine vier Wochen geben. Wir hatten ihn dann zwei Jahre. Das war nicht nur ein Geschenk, sondern ein Wunder.

Was hat es mit dir gemacht?

Ein Jahr später, zu seinem Todestag, da kam alles so richtig geballt hoch. Wenn ich jetzt überlege, wozu ich in dem Jahr nach seinem Tod alles in der Lage war, das ist unvorstellbar, was hat mich da geritten. A) hat man sich auf alles gestürzt, was einen ablenkt, aber B) war das alles wie so ein Dunstschleier, dieser Schock, da hat der Körper einen geschützt. Und das kam alles nach einem Jahr hoch, da war dieser Schleier weg und auf einmal merkt man, was da alles passiert ist. Ich merke jetzt, 15 Jahre später, wenn ich darüber rede, kommt das alles wieder hoch. Aber das Schöne ist, wenn jetzt hier die Tränen kommen, weiß ich, die gehen auch wieder.

Was hat dir geholfen?

Die schönste Erkenntnis ist gewesen, dass Trauer sein darf und nicht schlimm ist und sie auch wieder geht. Das sind so Momente, wo der Körper das einfach wieder verarbeiten möchte und dass man das zulassen kann, weil man aus der Erfahrung weiß, es gibt die Sonnenstunden und es gibt die Regentage. Dann kann man die Trauer auch bewusst zulassen und muss sich nicht dagegen wehren.

Was hat dir nicht geholfen?

Leute waren oft überfordert, ich hatte das Gefühl, die Leute trösten zu müssen. Oder ich hab mich oft beleidigt gefühlt, wenn Leute so oberflächlich waren, wenn sie so nach einem halben Jahr gefragt haben, „Geht’s euch jetzt besser?“, da hab ich mich echt beleidigt gefühlt.

Was machst du jetzt mit deinem Leben?

Joshuas Tod hat mich sehr verändert. Sein Tod war ein Turn-around. Ich hatte nie die Frage nach dem Warum, „warum hat Gott uns das zugemutet“ in mir, sondern eher sowas wie „Warum nicht? Warum nicht auch wir?“. Ich hab kein Problem mit Tiefe, die Tiefe suchen oder auch in der Tiefe suchen. Ich liebe Leichtigkeit, ich liebe Humor, ich kann mit Leuten Witze machen und in der nächsten Minute sprechen wir über ganz tiefe, ernste Themen und anschließend sind wir wieder oben. Ich hab kein Problem damit. Rückblickend kann ich wirklich sagen, so grausam die einzelnen Momente waren, wurde ich da wirklich durchgetragen und nichts davon hat mich zerstören können, sondern alles hat mich irgendwie auch reifen und entwickeln lassen.

Wie würdest Du Trauer beschreiben?

Trauer ist für mich einfach ein Ventil des Körpers damit umzugehen. Seitdem ich das weiß, empfinde ich das sogar als angenehm, weil es befreit.