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Norman
„Ich bin kein
Einsiedler.“

Norman

Was ist passiert?

Meine Frau Anja ist gestorben, ja – meine Frau ist gestorben.
Im Jahr 2013 hat man bei Anja Leukämie diagnostiziert. Das kam natürlich als Schock und Überraschung. Das hatten wir wirklich gar nicht erwartet. Sie war jung und gesund und dann rechnet man vielleicht mit Diesem und Jenem, aber nicht mit so einer schwerwiegenden Krankheit. Sie hat dann ein Jahr im Krankenhaus verbracht und dann war sie sozusagen erstmal wieder genesen, nicht geheilt in dem Sinne. Es gab dann ein Rezidiv, das war dann im Frühjahr 2016. Dort hat sie dann zusätzlich zu diesen merkwürdigen T-Zellen noch einen Tumor entwickelt, der eben sehr schnell gewachsen ist. Das, was die Ärzte anfänglich geplant hatten, war dann nicht mehr umzusetzen, das ging dann zu schnell und sie ist dann eben an der Krankheit und den damit verbundenen Nebenwirkungen gestorben. Und das relativ schnell. Die Diagnose hatten wir Februar/ März und Mitte Mai war sie dann tot.

Was hat es mit dir gemacht?

Das ist eine gute Frage. Das konnte nicht mal die Psychologin, die ich einige Monate später aufgesucht hatte, ganz klären.
Im ersten Moment ist man wahrscheinlich nur betäubt. Man macht ja seinen Scheiß weiter.
Irgendwann merkte ich, dass meine Knie anfangen zu zittern, da wusste ich, dass ich mir Hilfe holen muss.
Eine große Veränderung war sicherlich meine allgemeine Verunsicherung und meine Schüchternheit. Verunsicherung im Allgemeinen auch gegenüber Menschen. Das hab ich an mehreren Stellen deutlich gespürt. Auch bei der Arbeit, ich hab mich schnell von Menschen verunsichern lassen. Passiert mir immer noch. Komisch. Und es gibt in meinem Job wahrscheinlich nichts, das ich nicht beantworten oder unterrichten kann. Trotzdem. Daran arbeite ich noch immer. Das ist sicher auch Teil meiner Persönlichkeit, aber das wurde vertieft und verschärft, vergrößert durch Anjas Tod.

Was hat dir geholfen?

Grundsätzlich haben mich viele Leute unterstützt. Das war wirklich reichlich. Die Kinder konnten hier hin und da hin, also die waren betreut. Ferienbetreuuung durch die Schwiegereltern. Und auch andere Dinge. Wobei ich froh war, dass ich das meiste doch irgendwie selber machen konnte. Vielleicht ist die Frage „Geholfen -wobei und wie?“ besser. Alltagleben, das konnte ich.
Was ich gemacht habe damit ich nicht dauernd in die Tränengesichter der anderen Leute gucken musste, war, dass ich bei der Trauerfeier zu den Versammelten dort nochmal eine eigene kleine Miniansprache gehalten habe, in der ich versucht habe die positiven Dinge herauszustellen. Das war zum Großteil natürlich Selbstschutz, weil ich in dieser Kirchengemeinde ja auch tätig bin und keine Lust hatte jedes Mal in verweinte Augen zu gucken. Aber nicht in meine eignen, sondern in die von den anderen.
Ich hab aber auch Leute gehabt, die waren durchgängig für mich da. All die Jahre. Und Musik, ich hab alles, was ich in den letzten Jahren erlebt habe in meine Songs rein getan. Da arbeite ich vieles ab. Und ich lese mich selber zwischen den Zeilen.

Was hat dir nicht geholfen?

Ja, wie gesagt, die verheulten Gesichter der anderen. Es gab aber auch komplette Ignoranz. Oder sowas wie „Ach was! Drei Jahre ist das schon her?! Dann ist das ja fast vergessen!“ oder „Einem Freund von mir ist das auch passiert, das zweite Jahr, das war das Allerschlimmste!“, wo ich dann denke, „Schön, dass du mir das erzählst, das kann ich auch selber herausfinden.“

Was machst du jetzt mit deinem Leben?

Ich war zwanzig Jahre in Beziehung und dann bist du plötzlich wieder allein. Das macht was mit Menschen. Man erlebt plötzlich Dinge, die man schon ganz vergessen hat, wie z.B. es sich anfühlt Single zu sein.

Meine Frau, ja, sie war die Frau meines Lebens, das muss ich einfach so sagen und der Gedanke ist fast schon absurd, dass du jemanden hast mit dem du so blind einig bist. So glasklar einig. Es stand nichts zwischen uns.
Es kostet mich sehr viel Kraft, mir eine neue Perspektive aufzubauen. Jeder hat eine andere Vorstellung vom Leben. Für mich war das eine gute Partnerschaft. Ich bin kein Einsiedler. Für mich war immer Partnerschaft das Ziel meines Lebens. Im Austausch zu sein. Was ist meine Perspektive jetzt? Ich hatte mir auch gedacht, „du könntest jetzt doch mal eine Freundin haben“, aber irgendwie kann ich das nicht. Ich bin zu ernst oder ich habs verlernt und Datingseiten finde ich einfach extrem merkwürdig.
Für mich ist es ein bisschen deprimierend. In ein paar Jahren sind die raus. Und dann?
Ich hätte schon Lust auf Beziehung, ich bin offen, aber vielleicht habe ich das Flirten verlernt. Ich weiß nicht. Ich bin auch anders geworden.